Mit dem neuen Erdzeitalter des Anthropozäns beginnen sich die ökologischen Parameter zu verschieben. Nichts von dem, was in Bezug auf das Klima, die Fauna und Flora selbstverständlich schien, ist es heute mehr. Diese Veränderung der Rahmenbedingungen macht den Wald zum tragischen Protagonisten der Stunde. Der weltweite Klimawandel betrifft alle noch so unterschiedlichen Wälder der Erde und zieht sie zu einem globalen Katastrophenszenario zusammen. Immer wieder berichten die täglichen Nachrichten von verheerenden Bränden, ein Feuerring in Afrika, wird von Brandmeldungen im Amazonasgebiet abgelöst, auf den gewaltigen Buschfeuer in Australien folgen.
Die szenisch-musikalische Lesung REQUIEM FÜR EINEN WALD wendet sich der Kulturgeschichte zwischen Menschen und Wäldern zu. Schon der älteste erhaltene Text der Weltliteratur, das Gilgamesch-Epos der Sumerer erzählt von einem erbitterten Kampf zwischen Wald und Mensch. Die nordische Edda weiß, dass wenn Yggdrasil der Weltenbaum zu Grunde geht, auch das Menschengeschlecht seinem Ende entgegensieht. Der frühe amerikanische Naturschützer John Muir hatte eine Antenne für die Individualität der Baumarten und in dem 2019 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten „Baum“-Roman „Die Wurzeln des Lebens“ von Richard Powers sucht eine Wissenschaftlerin das Gespräch mit einem Mammutbaum. Im Traumwald erfrieren die Tiere, wenn wir nicht mehr die Kraft aufbringen, in ein lebendiges Verhältnis zum Wald und seinen Bewohnern zu treten. Auch andere Kulturkreise wissen, dass man nur das verteidigen und lieben kann, was man kennt und erklären den Baum zum Sehnsuchtsort.
Zum Profil des Theaters des Anthropozän gehört es, sich sowohl mit poetischen Sequenzen wie mit wissenschaftlichen Betrachtungsweisen den ökologischen Themen und Motiven anzunähern. Daher stehen neben renommierten Schauspielern auch wechselnde Vertreter und Praktiker der Forschungsinstitute auf der Bühne. Während Antje Boetius, die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Trägerin des Deutschen Umweltpreises 2018, den Wald, seine Bildung und Funktion aus erdgeschichtlicher Sicht erläutert, spricht Katrin Möller vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde über die aktuelle Gefahrenlage der Wälder. Tanja Seiner beleuchtet wiederum die im Wald festzustellende und sich gegenseitig bedingende Koexistenz von Pflanzen und Pilzen, wohingegen der mit den Deutschen Waldpreis 2021 ausgezeichnete Förster Ludwig Pertl über die notwendigen Maßnahmen spricht, damit Wälder auch noch unseren Enkelkindern erhalten bleiben.
Der Abend begibt sich erdgeschichtlich wie literarisch, vertikal wie horizontal auf eine Reise, um eine verwandelte Sicht auf den Wald als lokalen wie globalen Akteur freizusetzen und damit das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt neu zu begründen.
Im Anschluss an die Veranstaltung findet ein Publikumsgespräch statt.
Schauspieler
Claudia Burckhardt
Kevin Mooney
Janna Mohr
Moritz Schönbrodt
Enikő Mária Szász
Leopold von Verschuer
Bühne
Mark Lammert
Konzept
Antje Boetius
Frank Raddatz
Szenische Einrichtung
Frank Raddatz
Mit Gästen aus Wissenschaft und Forstwesen (in wechselnder Besetzung)
Prof. Dr. Antje Boetius
Dr. Katrin Möller
Ludwig Pertl
Tanja Seiner